Krisenkommunikation

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Fragen an die GreenCampus-Trainerin Renée Hansen

Im Duden findet man als Definition einer „Krise“ u. a. Folgendes: „Schwierige Lage, Zeit der Gefährdung“, aber auch „Höhe- und Wendepunkt“ einer Entwicklung. Woran erkennt man, dass man es in einer Organisation oder einer Partei mit einer Krise zu tun hat?

Die allermeisten Krisen, gerade in der Politik, sind auch Kommunikationskrisen. Spätestens wenn Abläufe massiv gestört sind, Organisationen in Unruhe geraten, Gerüchte die Runde machen, Medien massiv nachfragen, in sozialen Netzwerken spekuliert wird und der Druck von außen oder aus den Reihen der Mitglieder steigt, haben wir es mit krisenhaften Situationen zu tun.

Welches sind die wichtigsten Maßnahmen, um möglichst unbeschadet oder sogar gestärkt aus einer Krise herauszukommen? Welche Strategien empfiehlst Du?

Jede Situation ist anders. Gutes Krisenmanagement fängt schon lange vor dem Eintreten eines Ereignisses an. Organisationen, Parteien, Fraktionen, Arbeitskreise sollten sich in regelmäßigen Abständen anschauen, wo ihre Schwachpunkte sind, die zu Kommunikationskrisen führen könnten. Das kann zum Beispiel sein, dass ein moralischer oder politischer Anspruch im eigenen Programm formuliert wird, der von Medien oder einer kritischen Öffentlichkeit ständig überprüft wird. Diese Punkte besonders im Auge zu behalten und ggf. ein Frühwarnsystem in der eigenen Organisation zu etablieren, kann den Verantwortlichen einen enormen zeitlichen Vorteil verschaffen. Zu einem solchen Krisenaudit gehört es auch, sich für die wahrscheinlichsten und folgenschwersten Situationen einen Plan zurechtzulegen, was im Fall der Fälle zu tun ist, wer wann von wem informiert wird und wie man in einer Zeit erhöhter öffentlicher und interner Aufmerksamkeit die kommunikative Handlungshoheit nicht verliert. Die eine richtige Strategie gibt es dabei nicht. Vielmehr ist eine realistische und schnelle Einschätzung der Situation und ein abgestimmtes, strategisch überlegtes und verantwortungsvolles Handeln wichtig.

Warum braucht es eine besondere Kommunikation, um eine Krise zu meistern? Reichen da nicht die klassischen Skills der Öffentlichkeitsarbeit?

Kommunikationskrisen sind immer auch Zeiten, in denen es emotional hoch hergeht. Schnell wird die Schuldfrage gestellt oder einzelne Akteure scheuen sich, in diesen Ausnahmesituationen schnell Verantwortung zu übernehmen. Es sind, menschlich gesehen, sehr fordernde Situationen. Natürlich braucht es zur Bewältigung auch die Skills der Öffentlichkeitsarbeit, der Medienarbeit, der persönlichen Kommunikation und die eingeübten Abläufe. Kommunikation in ausgewachsenen Krisen mit großem öffentlichen Druck ist aber keine Routine, sondern Ausnahmezustand.

Fällt dir ein prägnantes Beispiel für eine gelungene Krisenkommunikation ein?

Ein gutes Beispiel war, wie Margot Käßmann im Jahr 2010 ihr Amt als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche zurückgegeben hat. Sie hat schnell persönlich in einigen Interviews das Versäumnis eingeräumt, den Schaden behoben und sich in angemessener Art und Weise entschuldigt. Die negativen Pendants dazu sind zum Beispiel der Umgang von Politiker*innen mit dem Vorwurf des Plagiats, bei dem die öffentliche Diskussion durch das eigene Verhalten wochenlang hochgehalten wird. Auch in nicht selbstverschuldeten Krisen gibt es gute und schlechte Beispiele für die Bewältigung. Ein ganz dramatisches Ereignis war der Absturz der Germanwings-Maschine 2015. Hier haben die Lufthansa und Germanwings eine sehr gute kommunikative Krisenbewältigung geleistet. Viele gute Beispiele von Krisenbewältigung kennen wir aber nicht, weil die Vorgänge eine gewisse öffentliche Aufmerksamkeitsschwelle erst gar nicht überschritten haben.

Was lernen die Teilnehmenden der Seminare, die du bei GreenCampus zum Thema Krisenkommunikation anbietest?

Wir schauen uns die konkreten Krisenpotenziale der Organisationen an, aus denen die Teilnehmenden kommen. Am diesen konkreten Beispielen analysieren wir Ursachen und Verläufe und entwickeln gemeinsam exemplarisch Prozesse, wie sie gut zu bewältigen und vor allem kommunikativ zu begleiten wären. Wir entwickeln anhand konkreter Situationen mögliche Sprachregelungen, und die Teilnehmenden diskutieren ohne den Druck des Ernstfalls, wer z. B. am besten geeignet ist, in einer solchen Situation zur Presse, zu den Mitarbeitenden oder Mitgliedern zu sprechen. Wenn Zeit genug ist, können wir in den Trainings diese Situationen auch simulieren, mit der Kamera begleiten und dann auswerten. Der Lerneffekt besteht vor allem darin, die Modelle, Prozesse und Instrumente, die es theoretisch gibt, auf die eigene Situation zu übertragen und mental besser vorbereitet zu sein auf den Krisenfall. Ein schlauer Krisenberater hat einmal gesagt, es gäbe zwei Arten von Organisationen: Die einen haben die erste Krise schon hinter sich, die anderen noch vor sich.

 

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Renée Hansen ist Dozentin, Coach, Beraterin und Trainerin für Kommunikation, Strategieentwicklung, Veränderungs- und Krisenkommunikation mit Sitz in Frankfurt und Zürich. Sie hat einen Masterabschluss in Wirtschafts- und Organisationspsychologie, einen Magisterabschluss in Medienwissenschaften und Kunstgeschichte, ergänzt durch Ausbildungen als Trainerin und Prozessberaterin in Change Management, Organisationsentwicklung und Coaching. Ihr besonderes Interesse gilt den Themen Frauen in Führung und unbewusste Bewertungsfehler (Biases).