Kampagnen

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Fragen an GreenCampus Trainer Andreas Bernstorff

Kampagnen gibt es viele. Doch was macht eine "moderne" Kampagne aus Ihrer Erfahrung wirklich erfolgreich?
Gründliche Planung mit integrierter Kommunikation, also über verschiedene Kanäle und Medien, ein operationalisiertes Kampagnenziel, nicht mehrere; laut und vernehmlich, kurz, und eben nicht zu lang. Planen Sie eine Erfolgskontrolle mit ein, dadurch wird Ihre Zielformulierung präziser. Praktizieren Sie eine „rollierende“ Planung, die Ihnen kurzfristig Änderungen, Kehrtwendungen und Abbrüche ohne Gesichtsverlust ermöglicht. Planen Sie vom ersten Tag an die Interaktion mit Ihrer Zielgruppe. Hierdurch verfolgen Sie Ihr Anliegen durch eine erfolgversprechende Kommunikationskampagne. 
Viele millionenschwere Regierungs- und Behördenkampagnen sind irrelevant, erfolglos oder nicht beurteilbar, weil sie dies und anderes nicht berücksichtigen.

"Um gelegentlich eine Kampagne machen zu können, muss die Gelegenheit auch gut sein", schreiben Sie in Ihrem neuen Buch. Durch was zeichnet sich denn so eine gute Gelegenheit für eine Kampagne aus?
Die gute Gelegenheit ist der anschlussfähige Kontext und der passende Zeitpunkt. Im Juni 2012 scheinen europäische Programme gegen Jugendarbeitslosigkeit anschlussfähig, nicht dagegen Steuersenkungen. Es gibt im politisch-kulturellen Jahresablauf routinemäßig eine ganze Reihe Ausschlussdaten, heikle Tage und Pflichtdaten. Schlechte Termine für ein neues Thema sind Nationalfeiertage, Weihnachten und Ostern, es sei denn man führt einen neuen Messias vor, dann: wichtige Gedenktage, politische Wahlen, Sportereignisse und Papstbesuche. Cricketspiele sind in England und Indien wichtig, sonstwo nicht, der 6. Januar ist in Spanien und Russland heilig, woanders nicht. Diese schlechten Tage bilden den Ausschlusskalender. Die guten bilden den Anschlusskalender: der 8. März für Frauen, der 1. Mai für Frieden und Abrüstung, der 5. Juni für Umwelt etc. Der beste Tag für eine Pressekonferenz ist der Donnerstag einer vollen Arbeitswoche. Das kann man vorher auszählen. Die beste Uhrzeit für eine Pressemeldung ist morgens um fünf. Nicht für alle, aber für viele Themen. 

Welche Rolle und welche Macht haben Bilder in der Kampagnenführung?
Ohne Bilder brauchen Sie eine Kampagne erst gar nicht zu beginnen. Kampagnen sind symbolische Konfrontationen. Alle kognitiven Inhalte müssen visuell und emotional gestützt werden, um zu wirken. 
Verwenden Sie wenige aussagekräftige Bilder, die zusammen mit einem Logo immer wieder auftauchen. Hierher gehören auch die Sprachbilder, ein kurzer Slogan, einprägsame Vergleiche in kurzen Sätzen. Eine und immer die gleiche Sprechperson gibt der Kampagne das Gesicht, nicht mehrere. Die Erarbeitung von Slogan, Logo, Bildnarrativ und Maßnahmeplan kann länger dauern als die öffentliche Kampagne selbst, und das ist gut so.

Bei aller Strategie und Planung scheint die Spontaneität ein wesentliches Merkmal gelungener Kampagnen. Kann man auch diesen Teil, das Erkennen momentaner Situationspotenziale und ein entsprechend kurzfristiges Handeln, in Ihrem GreenCampus-Bestellseminar "The Art of Campaigning – Campaigning als strategische Inszenierung" lernen?
„Spontaneität lernen“ klingt natürlich paradox, solange man bei Lernen an herkömmliche Schule denkt. Aber sobald wir Kampagne als strategische Konfliktinszenierung verstehen, leuchtet ein, dass wir improvisieren müssen, wenn der Gegenspieler anders pariert, als vorausgesehen. Dies lässt sich üben. Und es gibt große Lehrmeister, die alten Chinesen. Sie lehren uns, Situationspotenziale zu erfassen; sie helfen uns, aus unserer eingeübten linearstrategischen Denkhaltung heraus zu treten und gelegentlich die Lage günstig zu wandeln. Zu siegen ohne zu kämpfen, nicht besiegen sondern einfach gewinnen. Wobei keiner (s)ein Gesicht verlieren muss.

 

Andreas Graf von Bernstorff ist Partner eines Wiener Beratungsunternehmens und freiberuflicher Berater und Dozent für Campaigning und Strategische Kommunikation. Er arbeitete als Lehrer, Journalist, Wahlkämpfer, Landtagsabgeordneter und Politikberater. Von 1989 bis 2005 organisierte er internationale Kampagnen für Greenpeace. Er unterrichtet unter anderem an den Universitäten St. Gallen (Kontextstudium Handlungskompetenz) und Heidelberg (Center for Social Innovation) sowie an der Humboldt-Viadrina School of Governance (Master of Public Policy), Berlin.

Beim Carl-Auer Verlag erschienen ist sein Buch "Einführung in das Campaigning".