Urheber/in: Ulrich Steinsiepe.

Tagung

Samstag, 05. Dezember 2015 14.00 – 19.00 Uhr In meinem Kalender speichern

Tagung

Entlarvt! Und jetzt?! (4901-15)

Zum Verhältnis von Politik, Demokratie und Humor

In der Tradition des politischen Kabaretts wird Humor als ein Instrument der Infragestellung und der Kritik gesellschaftlicher Verhältnisse verstanden. Satire ist der Versuch, mit den Mitteln der Komik „Scheinwerte“ und Widersprüche aufzudecken. Humor lebt auf zwei Ebenen: als Mittel zur kritischen Sichtbarmachung von politischen Problemen, also Aufklärung, aber eben auch als Mittel zur, wenn auch zähneknirschenden, Einpassung in Verhältnisse, die man glaubt ohnehin nicht ändern zu können. 
Im Rahmen des Verbundprojekts der Heinrich Böll Stiftungen "Gut vertreten? - Update für Demokratie!" möchten wir mit Ihnen einen Blick auf gegenwärtige Formen der Satire und auf das Kabarett werfen und der Frage nachgehen, ob diese nur eine Ventilfunktion haben oder vielmehr mutmachend für mehr politische Einmischung sorgen. Wie sehr erfüllen etwa Sendungen wie die "heute show" oder "Die Anstalt" aufklärerische, ja sogar emanzipatorische, Funktionen, und –auf der anderen Seite– wie sehr befördern sie Einpassung, ja sogar Politikverdrossenheit durch stereotype Bilder von der fremdbestimmten Politik?

Einführender Vortrag

  • Tobias Krone
    Tobias Krone, Journalist, Jahrgang 1985, studierte Soziologie, französische Literatur und Journalismus in Hamburg, Paris und Jena. Sein Handwerk lernte er an der Deutschen Journalistenschule in München. Nun arbeitet er dort frei u.a. für BR 2, Süddeutsche Zeitung und taz. Politik interessiert ihn, weil ihn die Gesellschaft interessiert. Tobias Krones Sicht auf das Verhältnis von Politik, Demokratie und Humor: "Politik ist in allem, was uns umgibt, umsorgt und umnächtigt. Es lohnt sich das Licht anzumachen, um zu erkennen, wo man selbst steht. Demokratie ist etwas sehr ernstes und Humor eigentlich auch. Beides erfordert idealerweise Teilnahme und eine Haltung."

Podiumsgäste 

  • Anny Hartmann
    Anny Hartmann gehört zu den erfolgreichsten politischen Kabarettistinnen in Deutschland. Als gelernte Diplom Volkswirtin besitzt sie das Handwerkszeug, um manch politische und wirtschaftliche Finte zu durchschauen. Sie ist unbequem und gesellschaftskritisch, das aber mit viel Humor und grundsympathisch. Oder wie es Volker Pispers formuliert: "Anny Hartmann besitzt die drei großen H des Kabaretts. Humor, Haltung und Hirn. Das sollten Sie sich ansehen.“ Anny Hartmanns Sicht auf das Verhältnis von Politik, Demokratie und Humor: "Demokratie ist eine der besten Gesellschaftsformen, die ich mir vorstellen kann - und dennoch ist sie nur mit Humor zu ertragen. Das liegt oft am Personal, das diese Demokratie leiten soll. Manche Politiker sind einfach untragbar. Gabriel zum Beispiel, ehrlich, ich hab’s versucht ;-)"
  • Dr. Benedikt Porzelt
    Benedikt Porzelt erforscht als Medienwissenschaftler die unterhaltsame Darstellung von Politik und deren Bedeutung für die Selbstinszenierung politischer Akteure. Sein besonderes Interesse gilt dabei der humorvollen Kommunikation und deren Potential als öffentliche Kritikform. So promovierte er im Jahr 2013 an der Philipps-Universität Marburg mit einer empirischen Studie zur Beziehung von Politik und Komik. Benedikt Porzelts Sicht auf das Verhältnis von Politik, Demokratie und Humor: "Erfolgreiche Politik basiert in einer Demokratie auf der Teilhabe und dem Interesse der Bürger. Der Humor kann hierzu einen unschätzbaren Beitrag leisten, indem er politische Sachverhalte auf unterhaltsame Weise einer breiten Öffentlichkeit zugänglich macht und kritisch hinterfragt."
  • Tobias Krone

Workshop-Beiträge des Abends u.a. 

  • Komik und Kritik in der Migrationsgesellschaft. 
    Migrationsgesellschaften bieten viel Anlass zum Lachen: Sei es durch Missverständnisse und sprachliche Neologismen, sei es in unerwarteten Begegnungen zwischen Migrant*innen und Deutschen mit und ohne Migrationsgeschichte, die als Anekdoten in Alltagsgesprächen oder in Stand-Ups, Filmen und Romanen kursieren. Oft genug ist es aber die stereotypisierende, rassifizierende Darstellung von Migrant*innen, People of Color und Anderen Deutschen, die Komik in der Bundesrepublik bestimmt. Der komische Diskurs ist somit, neben dem Unterhaltungswert, ein wichtiger Austragungsort von Beziehungen und Selbstverständnissen in Migrationsgesellschaften: Worüber lacht die deutsche Mehrheitsgesellschaft? Was sind die Möglichkeiten, was die Grenzen des Komischen? Wo werden Stereotypsierungen, Rassismus, Antisemitismus und andere Ungleichheiten scherzhaft kritisiert und durchbrochen, wo werden sie verfestigt und reproduziert? Von welchen Machtverhältnissen ist das Komische in Migrationsgesellschaften bestimmt, wo bietet es Potential für selbstbestimmte migrantische Positionierungen? Diese Fragen werden in dem Workshop an Hand von Videoschnipseln aufgeworfen und gemeinsam diskutiert.
    - Darja Klingenberg ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Sie arbeitet und lehrt im Bereich der Migrationsforschung, der Frauen- und Geschlechterforschung und der Soziologie des Alltäglichen. In ihrer Dissertation untersucht sie russischsprachige Migrationen nach Deutschland, migrantische Mittelschichten und die Gestaltung von (Wohn)Raum. Zur Bedeutung des Komischen in Migrationsgesellschaften publizierte sie neben verschiedenen Artikeln das Buch: Komik (in) der Migrationsgesellschaft (gemeinsam mit Helga Kotthoff und Shpresa Jashari), 2013 bei UVK http://bit.ly/1OeOSc3
  • Politiker*innen in Satireshows: Vom Objekt zum Subjekt der Komik? 
    Der Workshop widmet sich dem Auftreten von Politiker*innen in Satiresendungen. Anhand von zwei kurzen Beispielen wird ein analytischer Blick auf die Konstruktion und Kommunikationslogik solcher Auftritte geworfen. Auf dieser Grundlage werden mögliche Chancen und Risiken für das politische Imagebuilding diskutiert. - Dr. Benedikt Porzelt
  • Der Humor Heinrich Bölls
    Humor ist für Heinrich Böll in unserer Gesellschaft eine Qualität des humanen Lebens. Bereits in den "Frankfurter Vorlesungen" von 1964 spricht er von der "humanen Möglichkeit des Humors, das von der Gesellschaft für Abfall Erklärte, für abfällig gehaltene in seiner Erhabenheit zu bestimmen." Verborgene gesellschaftliche Fehlentwicklungen dagegen machte Heinrich Böll in seinen - fast schon mathematisch angelegte Satiren erkennbar. - Markus Schäfer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Heinrich Böll Stiftung im Heinrich-Böll-Archiv.
  • Politische Memes: Zwischen Clicktivism und ernsthafter Politisierung.
    Internet-Memes erfreuen sich bei der digitalen Kommunikation auf Twitter, Facebook, Reddit, 9Gag und Co. einer ungebrochen hohen Beliebtheit. Eine relativ junge Forschungsfrage beschäftigt sich mit der politischen Relevanz von Memes. So werden sie vielfältig eingesetzt, z.B. um den politischen Gegner anzugreifen (man denke hier an die „binders full of women“ Memes, beruhend auf Mitt Romneys zweifelhaften gleichstellungspolitischen Aussagen im letzten US-Präsidentschaftswahlkampf), um logische Fehler politischer Argumentation aufzuzeigen oder die Persönlichkeit einer politischen Figur in ein bestimmtes Licht zu rücken (das erst neulich unter dem Hashtag #merkelstreichelt zirkulierende G7-Gipfel-Meme „Ich wusste nicht was ich sagen sollte, da hab ich sie halt gestreichelt.“. Der politische Härtegrad von Memes variiert enorm zwischen banalen ‚Puns‘ bis hin zu im Meme hoch verdichteten Sachzusammenhängen und Diskursen. Memes verknüpfen dabei grundlegend immer eine Form des Witzes mit Politik. Aber resultiert hieraus gleich eine satirische Qualität oder ein politisch aufklärendes Potenzial, dass bestimmte Gruppen aktivieren kann?

Moderation 
​Moderiert wird die Veranstaltung von Priya Bathe.

Ausklang
Der Abend klingt unterhaltsam mit Getränken und kleinen Speisen aus.

Ort
Alte Feuerwache Köln
Melchiorstraße 3, 50670 Köln
www.altefeuerwachekoeln.de

Tagungsbeitrag
10€ inkl. Getränke und Imbiss (Der Tagungsbeitrag wird am Eingang kassiert)

Veranstaltungs-Nr.
4901-15

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Adresse
▶ Siehe Veranstaltungsbeschreibung
Veranstalter*in
Landesstiftung Nordrhein-Westfalen
Teilnahmegebühren
10 Euro