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Dienstag, 06. Mai 2025 09.30 – 18.00 Uhr In meinem Kalender speichern

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Connecting the Dots

Zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte

Die Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus hat dank unzähliger und oft hartnäckiger zivilgesellschaftlicher Initiativen und Advocacy zunehmend öffentliches und politisches Interesse erhalten. Wissenschaftliche Forschung, Ausstellungen und Austausch in Museen, Debatten rund um Denkmäler und Straßennamen, Beschäftigung in Literatur und Kunst, Kooperationen mit den Herkunftsgesellschaften: An vielen Orten hat sich trotz aller Widrigkeiten etwas bewegt. Doch ist die Aufarbeitung vor allem der Gewaltgeschichte des deutschen Kolonialismus eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die intensiverer Beschäftigung bedarf und die von der Politik nicht reglementiert, aber strukturell und finanziell untermauert werden müsste.

Die Ampelregierung hat diesbezüglich in den vergangenen Jahren und teilweise im intensiven Dialog mit den betroffenen Gesellschaften politische Akzente gesetzt. Dass die Afrikapolitischen Leitlinien die Aufarbeitung des Kolonialismus als ein „wichtiges Element für ein zukunftsgerichtetes Miteinander mit den Staaten des afrikanischen Kontinents“ ansehen, ist neu und bedeutsam. Gleichzeitig treten der Pluralisierung der Erinnerungskultur gesellschaftliche Kräfte entgegen und die politische Verstetigung der Aufarbeitung des Kolonialismus ist mehr als ungewiss. 

Wir nehmen den veränderten politischen Kontext durch den Regierungswechsel zum Anlass für einen Austausch darüber, an welchem Punkt die innerdeutsche Debatte um und die Arbeit zur Aufarbeitung des Kolonialismus stehen.

Für das Fachforum steht dabei die Frage im Mittelpunkt, wie die Aufarbeitung der Kolonialvergangenheit in Deutschland gelingen kann. Welcher Allianzen bedarf es, um die Abwehr zu überwinden? Welche politischen Strukturen braucht es, um die Pluralität der Erinnerungskultur hierzulande wirkungsvoll zu machen? Und wie kann eine neue Beziehungsethik mit den vom Kolonialismus ehemals betroffenen Staaten tatsächlich gestaltet werden? In diesem Sinne versuchen wir zu erkunden, was Akteur*innen der Erinnerungsarbeit in Deutschland voneinander lernen können, wie wir uns aus den Silos des Wissens und Handelns hin zu besserer Vernetzung bewegen können und wie es noch besser gelingen kann, die Ansätze und Praktiken kommunikativ einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Mit einem Schwerpunkt auf Erfahrungen und Vorhaben im deutschen Kontext wollen wir gemeinsam mit sachkundigen Personen aus Wissenschaft, Museen, Zivilgesellschaft, Politik und Verwaltung beraten und Pläne schmieden.


Fachkontakt:
Maria Kind
kind@boell.de


Information:
Clara Müller
mueller@boell.de 


Programm 

9.30 Uhr 
Begrüßung: Kirsten Krampe, Leiterin Referat Afrika, Heinrich-Böll-Stiftung e.V.
 

9.45 – 11.15 Uhr
Panel 1: Woran wollen wir erinnern? Hin zu einer erweiterten Erinnerungskultur 
Für eine zeitgemäße Erinnerungskultur in Deutschland ist die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte und ihrer aktuellen Nachwirkungen unerlässlich. Wie kann und sollte die Erinnerung an die Kolonialvergangenheit im Kontext der gesamtgesellschaftlichen Erinnerungsarbeit in Deutschland verortet werden? Manche Kritiker verstehen den Anspruch auf Aufarbeitung und Anerkennung der kolonialen Gewaltverbrechen als Relativierung des Holocaust-Gedenkens – was sie nicht sind. Doch wie kann es gelingen, die Kolonialgeschichte als Teil einer erweiterten Erinnerungskultur zu verankern? Welcher gesamtgesellschaftlichen Veränderungen bedarf es dafür, und welche Rolle spielt die staatliche Gedenkkultur für ein multiperspektivisches Erinnern in einem postmigrantischen Deutschland.


Paneldiskussion mit:

  • Jo Frank, Schriftsteller / Verleger und Direktor von DialoguePerspectives e.V.
  • Dr. Philmon Ghirmai, Landesvorsitzender von Bündnis 90 / Die Grünen
  • Prof. Dr. Carola Lentz, Seniorforschungsprofessorin am Institut für Ethnologie und Afrikastudien, Universität Mainz, und ehem. Präsidentin des Goethe-Instituts
  • Dr. Thomas Lutz, Historiker und ehem. Leiter Gedenkstättenreferat, Stiftung Topographie des Terrors 

    Moderation: Christian Staas, Ressortleiter Geschichte, DIE ZEIT
     

11.15 – 11.30 Uhr Pause



11.30 – 12.30 Uhr
Panel 2: Was können wir besser? Hin zu einer angemesseneren Restitutions-Governance
Restitution geht weit über die bloße Rückgabe von ancestral remains und cultural belongings aus kolonialem Kontext hinaus – sie thematisiert Fragen von Gerechtigkeit, historischer Verantwortung und internationaler Zusammenarbeit. Die institutionellen Strukturen in Deutschland zur Restitution und Repatriierung sind defizitär und unzureichend finanziell ausgestattet. Noch ist unklar, wie das Zusammenspiel von BKM und AA in der neuen Regierung konkret gestaltet wird. Wie kann eine angemessenere Restitutions-Governance gewährleistet werden? Was gehört dazu? Wie muss sich Deutschland „außenpolitisch“ aufstellen, um in zeitnah anstehende Verhandlungen zu Restitution und Repatriierung treten zu können? Und wo können und sollten zivilgesellschaftliche und wissenschaftliche Expert*innen mitwirken?

Paneldiskussion mit:

  • Ilja Labischinski, Provenienzforscher und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentralarchiv der Staatlichen Museen, Stiftung Preußischer Kulturbesitz
  • Prof. Dr. Andreas Mehler, Politikwissenschaftler und Direktor des Arnold Bergstraesser Instituts, Universität Freiburg
  • María Leonor Pérez Ramírez, Stellvertretende Leiterin der Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in Deutschland

    Moderation: Dr. Yann LeGall, Kulturhistoriker und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Historische Urbanistik und Kunstwissenschaft, Technische Universität Berlin
     

12.30 – 13.30 Uhr Mittagsimbiss


13.30 – 15.00 Uhr parallel stattfindende Vernetzungsräume (1-3) 

Vernetzungsraum 1: Koloniale Topografien – Erinnerungsorte in deutschen Städten und Städtepartnerschaften nutzen
In vielen deutschen Städten engagieren sich zivilgesellschaftliche Gruppen und Diaspora-Gemeinschaften bei der Erkundung und Vermittlung der kolonialen Verflechtungen vor Ort; oft unter Einbeziehung von Menschen aus den Herkunftsgesellschaften. Auch Partnerschaften zwischen Städten in Deutschland und ehemals kolonisierten Städten könnten eine langfristig angelegte Funktion bei der zukunftsorientierten Aufarbeitung der verflochtenen Geschichte auf lokalen Ebenen übernehmen.

Welche Ansätze für Vernetzung funktionieren schon und wie können diese wirksamer werden? Wie können Verbindungen von lokalen Erinnerungsorten in Deutschland und entsprechenden Initiativen in den früher kolonialisierten Gebieten gestärkt werden? Und letztlich: Wie können größere Kreise der Gesellschaft besser informiert und einbezogen werden?

Mit Kurzinputs von:

  • Dr.in Christiane Bürger, Historikerin und Referentin Grundsatz Museen und Sonderprojekte, Kolonialismus in der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt Berlin
  • Alexander Kückes, Geograph und Koordinator der Kommunalverwaltung Städtepartnerschaft Würzburg – Mwanza/Tansania
  • Napo Labodja Oubo-Gbati, Vorstand von Case International e.V., Kassel
  • Anna Yeboah, Architektin / Kuratorin und Gesamtkoordinatorin Dekoloniale Berlin

    Moderation: Clara Frysztacka, Referentin Zeitgeschichte, Heinrich-Böll-Stiftung e.V.


Vernetzungsraum 2: Kolonialismus in der Bildung - Leerstellen in Schulbüchern und in der politischen Bildung füllen
Die Aufnahme von Kolonialgeschichte in die schulische und politische Bildung steht in Deutschland noch am Anfang. Ein wichtiges künftiges Handlungsfeld ist die Überarbeitung von Curricula und Lernmedien. Kooperationsansätze mit afrikanischen Staaten bieten sich insbesondere bei der Entwicklung von Schulbüchern an. Eine wichtige Bedeutung haben im Bildungsbereich auch die Lern- und Trainingsmaterialien von Diaspora-Gemeinschaften. Auch Schulpartnerschaften können Räume für gemeinsame Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte bieten. Welchen Stellenwert haben die schulische und politische Bildung für eine „Breitenwirksamkeit“ der Aufarbeitung des Kolonialismus in Deutschland? Wie kann sie angesichts der Diversität der Zielgruppen mit teils unterschiedlichen Herkunftsgeschichten gelingen?

Mit Kurzinputs von: 

  • Hilaire Djoko, Bildungsreferent und Projektkoordinator der Initiative Perspektivwechsel
  • Lena Nzume, Soziologin und Sprecherin für Bildungspolitik & Gedenkstätten, MdL Niedersachen / Bündnis 90/Die Grünen
  • Dr. phil. Marcus Otto, Geschichtswissenschaftler und stellv. Leiter der Abteilung „Wissen im Umbruch“, Leibniz-Institut für Bildungsmedien / Georg-Eckert-Institut
  • Sabeth Schmidthals, Pädagogin und Leiterin der AG „Erinnern“, Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule Berlin-Moabit

    Moderation: Tahir Della, Fachpromotor im Berliner Promotor*innen-Programm „Eine Welt“ und Vorstand der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland Bund e.V.


Vernetzungsraum 3: Mission Possible! Kirche und Missionswerke als wichtige Bündnispartner 
Deutsche Missionswerke und Kirchen engagieren sich zunehmend bei der Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte. Dies betrifft sowohl ihre geschichtlichen Verwicklungen mit der Kolonialherrschaft als auch die damals angeeigneten Kulturgüter in heutigen Missionssammlungen und ihre umfangreichen Archive. Missionswerke können insbesondere aus zwei Gründen wichtige Beiträge zur Dekolonisierung einbringen: Sie verfügen über vielfältige Partnerschaftsbeziehungen zu ehemaligen Missionskirchen und erreichen gesellschaftliche Kreise in Deutschland, die sich bislang wenig für koloniale Verflechtungen interessiert haben. Wie kann diese Arbeit stärker sichtbar und besser mit ähnlich ausgerichteten zivilgesellschaftlichen Ansätzen in Deutschland und international vernetzt werden?

Mit Kurzinputs von:

  • Susann Küster-Karugia, Afrikanistin und stellvertretende Direktorin des Ev.-Luth. Missionswerk Leipzig e.V.
  • Dr. Norman Mukasa, interkultureller Experte und Schwerpunkt-Referent für Koloniales Erbe, Deutsche Kommission Justitia et Pax
  • Dorcas Parsalaw, Fachreferentin Nachhaltigkeit im kirchlichen Kontext Referat Bildung Global, Mission EineWelt
  • Belinda-Maria Peters, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Centrum für Religionswissenschaftliche Studien (CERES), Ruhr-Universität Bochum

    Moderation: Dr. Thomas Fues, Wirtschaftswissenschaftler
     

15.00 – 15.30 Uhr Pause


15.30 – 16.30 Uhr 
Panel 3: Wie weiter in der Zivilgesellschaft?
Zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure befassen sich an vielen Orten und in diversen Kontexten mit der Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte. Die Herausforderung besteht jetzt darin, das Wissen voneinander zu vertiefen und gemeinsame Räume für inhaltliche Diskussionen und politische Initiativen auszubauen und neu zu schaffen. Die zunehmenden rechtspopulistischen Angriffe auf die Erinnerungsarbeit machen die Stärkung der gesellschaftlichen Relevanz von dekolonialen Dynamiken umso dringlicher. Wie kann es weitergehen?

Mit den Rapporteur*innen der Vernetzungsräume:
 
Gita Herrmann, Kuratorin, TheMuseumsLab / Maike Schimanowski, Kunsthistorikerin und Kuratorin / Daniela Tschuschke, Afrikanistin und Korrdinatorin Tanzania Network e.V. u.a.

Kommentierung: Prof Dr. Hansjörg Dilger, Sozial- und Kulturanthropologe und Sprecher des SFB "Affective Societies", Freie Universität Berlin 

Moderation: Maria Kind, Referentin Afrika, Heinrich-Böll-Stiftung e.V.
 

16.30 – 18.00 Uhr 
Abschlusspanel: Erinnern für Gegenwart und Zukunft
Die Ampelregierung hat erste wichtige Schritte zur politischen Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte in die Wege geleitet, aber auch Baustellen hinterlassen. Offen geblieben ist die Klärung von politischen Verantwortlichkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen sowie die Bereitstellung von Fördermitteln für Nachfahr*innen, die sich für die Rückführung ihrer Ahnen und Kulturgüter aus Deutschland einsetzen. Unklar ist auch geblieben, wie es mit dem geplanten „Lern- und Erinnerungsort Kolonialismus“ weitergehen soll. Auf die neue Bundesregierung warten somit große Aufgaben, deren Bearbeitung auf ein wachsendes Interesse in ehemals kolonisierten Gesellschaften stößt, wie die Einrichtung staatlicher Restitutions-Komitees in Tansania, Kamerun und Ghana zeigt. Auch Bündnis 90/Die Grünen werden sich für eine Aufarbeitung des Kolonialismus weiter stark machen.

Vor dem Hintergrund der Neu-Konstituierung der Bundesregierung befasst sich das Abschlusspanel mit den Maßnahmen von Politik und Verwaltung zur kolonialgeschichtlichen Aufarbeitung. 

Paneldiskussion mit:

  • Maria Bering, Leiterin Abteilung K4 Erinnerungskultur bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien
  • Prof. Dr. Larissa Förster, Ethnologin und Direktorin des Weltkulturen Museum Frankfurt
  • Dr. Thomas Henzschel, Leiter des Referats 300, Grundsatzfragen und regionenübergreifende Themen Afrika, Lateinamerika und Naher-/Mittlerer Osten, Auswärtiges Amt
  • Katja Keul, Staatsministerin im Auswärtigen Amt

    Moderation: Kirsten Krampe, Leiterin Referat Afrika, Heinrich-Böll-Stiftung e.V.

» Teilnahme vor Ort
im Konferenzzentrum der Heinrich-Böll-Stiftung, Schumannstr. 8, 10117 Berlin

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Adresse
Heinrich-Böll-Stiftung - Bundesstiftung Berlin
Schumannstr. 8
10117 Berlin
Veranstalter*in
Heinrich-Böll-Stiftung - Bundesstiftung Berlin
Sprache
Deutsch
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